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Kapelle "Maria zur Hohen Stiege"

Die Wallfahrtskapelle "Maria zur Hohen Stiege" schmiegt sich 1'757 Meter über Meer tief drinnen im Tälchen der Feer Vispe unter die Felsköpfe der Talflanke und liegt am Kapellenweg zwischen Saas-Fee und Saas-Grund.

Um mit der Legende zu beginnen: Wie bei fast allen unsern Wallfahrtsorten, hat der Himmel auch hier durch nächtliches Verlegen der Werkzeuge kundgetan, dass die Kapelle am heutigen Standort und nicht in einer unterhalb gelegenen Mulde erbaut werden sollte. In dieser sich stets ähnelnden Ursprundslegende wird man nicht den Niederschlag von Meinungsverschiedenheiten inbezug auf den Standort suchen düfen; es geht vielmehr darum, augenfällug zu zeigen, dass Gott und seine Heiligen auch schon den Ort bestimmen, an dem sie den Bittflehenden huldreich erhören wollen.

Zur mündlichen Überlieferung sind die chronikalischen Nachrichten zu zählen, die Pfarrer Peter Joseph Zurbriggen (1760 - 1813) in seiner "'Chronologia" festgehalten hat: "Anno 1687 wurde die Chapelle zur Hochen Stegen gebaut. Da zuvor ein einziges Bildlein war in einem Gemäuser eingemacht gewesen, wo man ohne Dach bey dem Wunderbild betten müsste. Anton Ruppen, ein berühmter Steinhauwer und Maurenmeister, machte die Kapell, das steinerigen Altarlein, und wie auch das Chor der Pfarrkirche. Vor Alter heiss es nicht zur Hochen Steegen, sondern zum Bildlein und wurde vin den Hierten und andern oft besucht.' So berichtete Zurbriggen nach Lomatter."

Sichere Fakten sind dagegen die Daten an der Gnadenkapelle selbst, die Jahreszahl 1687 aussen am Schiffsgiebel, eingelegt an der Kapellentüre sowie eingekerbt in die Türflügel des kleinen rückseitigen Schrankes im Altartisch, ferner die Jahreszahl 1747 am Giebel der grossen "Vorhalle". Hier geht man nicht fehl, wenn man die Jahreszahlen als Baujahr der Kapelle, bzw. der "Vorhalle" deutet. 1693 goss H. Heinrich Weitnauer, Basel, die Glocke (Inschrift).

Doch schon die Jahreszahl 1704 im Fels oberhalb der Gnadenkapelle verweigert sich einer sicheren Deutung. Der Chronist Peter Joseph Ruppen (1815 - 1896) schreibt, in jenem Jahre sei diese Treppe erstellt worden, um eine raschere Verbindung der Gnadenkapelle nach Saas-Fee zu erhalten - der alte Weg habe oberhalb dem Felsen vorbeigeführt - und, so folgert Ruppen, nach dieser Stiege sei denn auch der Wallfahrtsort ("Zur Hohen Stiege") benannt worden. So sehr sich diese letzte Schlussfolgerung aufdrängt, sie hält einer historischen Untersuchung nicht stand. Der kunstliebende Kilchherr von Saas, Pfarrer Peter Zurkirchen (1694 - 1719) nennt das Heiligtum in dem von ihm 1694 begonnen Sterbebuch schon bei der ersten Erwähnung vom 4. Januar 1695 "ad altos gradus".

Führte je ein älterer Weg oberhalb der Kapelle vorbei? Bildstöcklein, "Bildjini", stehen nicht abseits der Wege. War der spätere Kapellenweg der erste Weg nach Saas-Fee, angelegt vor dem kürzeren Saumweg mit der erst in den Jahren 1768 - 1779 erbauten St. Josephskapelle, oder gab es hier vor dem Bau der Wallfahrtskapelle keinen Weg vom Tal herauf, d.h. nur einen Pfad, der von "Vee" hinunter zur furchtbaren "Zelli" führte? Wurde 1704 etwa eine an dieser Stelle bestehende Treppe oder Leiter - man denke an Albinen - durch den heute noch vorhandenen Treppenlauf ersetzt? Lauter Fragen, die kaum mehr eine Antwort finden werden.

Der Hochaltar wurde im Zeitraum 1695 - 1709 entstanden sein. Um 1698 schuf der Steinmetz Anton Ruppen von Saas-Fee das Retabel des Seitenaltars. Im selben Jahr stiftete Johannes Indermatten drei Dublonen an einen zu kaufenden Kelch. 1713 stiftete Johann im Seng "duas Icones pro vexillo" (zwei Fahnenbilder), 1739 Barbara Ruppen, "Castellanissa de Vée" "thalerum, cum argenteà cruce" (mit silbernem Kreuz), 1743 die in Visp wohnhafte Maria Burginer 1745 Agatha Burginer "quamdam imaginem" (eine gewisse Statue). 1755 erhielt die Kapelle sogar eine Orgel - und Empore.

Im Visitationsakt des Jahres 1834 heisst es vom "Sacellum ad Gradus Hohen Stiege": "Manutenetur per Quarterium Veense". Wann der Viertel "Vee" den Unterhalt der Wallfahrtskapelle von der Pfarrei Saas zugeteilt erhalten hat, ist nicht bekannt; es ging dabei um eine Verteilung der Lasten innerhalb der Gross-Pfarrei Saas. Eigentum von Saas-Fee wurde die Gnadenkapelle kaum vor der Gründung des Bundesstaates 1848. In den testamentarischen Legaten, die Pfarrer Zurkirchen bei den Eintragungen ins Sterbebuch zu vermerken pflegte, trifft man immer wieder auf die Wendung: "sex majoribus sacellis videlicat Balensi, ad Londum Agrum Zer horlauwinen, ad Gradus, Veensi, Almagellensi". Demnach zählte die Wallfahrtskirche "Zur Hohen Stiege" zu den sechs grösseren Heiligtümern der Pfarrei Saas, und der Kirchherr nahm die Legate entgegen mit der Verpflichtung, darüber im Geiste des Stifters zu befinden.

In seiner "Relatio", d.h. einem offiziellen Bericht über den Stand der Pfarrei, des Jahres 1860 schreibt Pfarrer Peter Venetz: Dieses Heiligtum wird als wunderreich verehrt; zu ihm bringt man die totgeborenen Kinder; innerhalb von 24 Jahren habe ich zwei davon, nachdem sie ein gewisses zweifelhaftes (Leben-)zeichen von sich gegeben hatten, bedingungsweise getauft. Die kleineren Leichen werden dort in der Nähe des Heiligtums, die grösseren in einem eigens dafür bestimmten Teil des Friedhofes heimlich beigesetzt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts flehten Gemeinden des Vispertales in Prozessionen "Zur Hohen Stiege" (mit Erfolg) um Regen.

1956 - 1958 unterzog man die Kapelle samt ihrer Ausstattung einer durchgreifenden Restaurierung. 1982/83 Aussenrenovation unter Leitung von Architekt David Casetti, Zürich. Bis um 1906 pflegten zum Kapellenfest am 8. September ("acht Taga Herbscht") auch Leute aus Macugnaga (Macuneru) zu erscheinen; von ihnen soll die grosse von steinerner Sitzbank umringte Lärche gepflanzt worden sein. Zur Feier des 300-jährigen-Jubiläums am 8. September 1987 lud Saas-Fee sie ein in der Hoffnung, dadurch die alte Tradition wieder zu beleben.

Kapelle
Die Kapelle Maria zur Hohen Stiege (Foto Gigi Saas-Fee)